Im November habe ich beschrieben, wie Psychotherapie grundsätzlich hilft und was erfolgreiche Psychotherapie ausmacht. Dieser Beitrag beschäftigt sich damit, was Psychotherapie bzw. Gesprächstherapie von einem Gespräch mit Freundinnen und Freunden unterscheidet.
Grundsätzlich handelt es sich bei professionell tätigen Psychotherapeutinnen und -therapeuten um Personen, die über ein Wissen verfügen, das sie sich in langjähriger Fachausbildung und -praxis angeeignet haben. Meist liegen Spezialisierungen vor, und die Therapierenden greifen auf erprobte und anerkannte Methoden und Interventionen zurück, um Menschen mit Belastungen begegnen und eine Entlastung dieser Personen herbeiführen zu können. Mit diesem Hintergrund- und Handlungswissen kann eine fachfremde Person nicht konkurrieren, zudem haben Therapierende aufgrund ihrer Spezialisierung meist Erfahrungen gesammelt, auf die sie zurückgreifen können und hinsichtlich derer sie insbesondere wissen, welche Werkzeuge tatsächlich hilfreich sind.
Ein wesentlicher Faktor ist außerdem die Objektivität der Therapierenden, wohingegen Freundinnen und Freunde natürlicherweise voreingenommen und nicht neutral sind. Selbst wenn wir das Gefühl haben, unseren Freundinnen und Freunden alles anvertrauen zu können, das wir uns denken, das uns belastet, worüber wir nachdenken und was uns treibt, ist das meist nicht der Fall. Themen, die in einer Therapie aufgeworfen werden, sind meist nur jene, die an der Oberfläche liegen. Erst innerhalb der Therapie können die Therapierenden mithilfe ihres professionellen Vorgehens zum Kernproblem durchdringen. Freundschaften können die Strategien, auf die ausgebildete Psychotherapeutinnen und -therapeuten zurückgreifen können, nicht vollumfänglich nutzen.
Zudem ist es in Freundschaften nicht immer möglich, absolut ehrlich zu sein, da das Gegenüber nicht verschreckt oder gar verletzt werden soll. Die Befürchtung, Freundschaften mit eigenen Problemen zu sehr zu belasten und deshalb als Freundin oder Freund fallengelassen zu werden, ist real. Zudem sind viele der Meinung, auch die beste Freundin, der beste Freund müsse nicht unbedingt die intimsten Schwachpunkte kennen. Im Gespräch mit Therapierenden können wir immer ehrlich sein, und alles, das wir (mit-)teilen, wird vertraulich behandelt, was in Freundschaften nicht garantiert ist. Ebenso geben Therapeutinnen und Therapeuten keine Ratschläge, sondern unterstützen uns dabei, mit Anleitung und Unterstützung selbst eine Lösung zu finden. In Gesprächen mit Freundinnen und Freunden werden wir stets beeinflusst, ob bewusst oder nicht.
Da Freundschaften (auch) auf gegenseitigem Zuhören basieren, könnten wir bei intensiven Gesprächen das Gefühl bekommen, unsere Freundin oder unseren Freund nicht immer mit unseren Problemen belasten zu wollen, oder unsere Vertrauten schenken uns und unseren Problemen nicht die Aufmerksamkeit, die wir uns erhoffen.
Was braucht es für eine gelingende Therapie?
Erinnern wir uns noch einmal an Kernbergs Aussagen und die Faktoren, die gelingende Therapie ausmachen (können), die ich im November auszugsweise vorgestellt habe. Wenn Sie Psychotherapie in Anspruch nehmen möchten, müssen Sie zuallererst eine geeignete Therapeutin oder einen geeigneten Therapeuten finden, da der Erfolg der Therapie unmittelbar an die Person der oder des Therapierenden geknüpft ist. Suchen Sie nach Therapierenden, die über fundierte Ausbildung und Erfahrung auf dem Gebiet verfügen, das mit Ihren Themen in Verbindung stehen könnte. Vergewissern Sie sich, dass die oder der Therapierende regelmäßig an Fortbildungen teilnimmt, sich weiterbildet und lernen Sie sie oder ihn kennen. Ist gegenseitige Sympathie nicht gegeben, suchen Sie weiter. Ihre zukünftige Therapeutin oder ihr zukünftiger Therapeut müssen einfühlsam, ehrlich, gewissenhaft sein, sie oder er muss sich Ihnen interessiert und empathisch widmen und Ihnen das Gefühl geben, alles zu tun, um Ihnen zu helfen.
Ich wünsche Ihnen ein gelingendes Weihnachtsfest!
Ihre Michaela Legl-Bruckdorf
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