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Unvorbereiteter Abbruch einer Psychotherapie

Im vergangenen Monat habe ich die (erweiterten) Möglichkeiten der Psychotherapie über virtuelle Wege, digitale Medien und Online-Plattformen beschrieben. Therapeutische Angebote online zu schaffen und anzubieten hat insbesondere seit einem neuen Alltag mit dem Coronavirus den Bedürfnissen vieler entsprochen. Unterstützung kann nun telefonisch, per Chat, Videotelefonie u. Ä. in Anspruch genommen werden.

 

Auf diese Weise konnten wichtige Therapien weitergeführt werden und wie im Juni beschrieben, tut eine derartige Verlagerung der Therapieeinheiten in digitale Medien und andere Kanäle in den meisten Fällen der Therapiewirkung keinen Abbruch (mehr dazu im Juni-Beitrag).

 

Allerdings können Argumente angeführt werden, die einer Therapiefortführung ohne persönlichen Kontakt entgegenstehen, beispielsweise datenschutzrechtliche Bedenken. Dass es dadurch zu abrupten, weil unvorbereiteten Therapieabbrüchen kommt, ist nicht auszuschließen. Auch unabhängig von Online-Therapien ist es sehr wichtig, das Ende oder eine längere Unterbrechung der Therapie feinfühlig und individuell zu planen und zu gestalten, denn auch ohne Corona werden Therapien unvorbereitet, einseitig und abrupt abgebrochen. Erhebungen zeigen, dass es hierfür vielfältige Gründe gibt, z. B. bei geringen Einkommen, wenn die Versicherung die Kosten nicht (mehr) weiterträgt, die erhoffte Besserung bislang ausgeblieben ist oder auch aus organisatorischen Gründen (vgl. dazu auch Sonnenmoser, 2016, online).

 

Ein Therapieende kann dabei traumatisch sein, selbst wenn es – wie in den meisten Fällen – gut vorbereitet und von langer Hand geplant wurde. Je nach Art der Therapie kann und sollte auch deren Ablauf und Abschluss gestaltet werden, denn die Generallösung für gelingende Abschlüsse gibt es nicht. Normalerweise wird bei geplantem Ende die Stundenfrequenz nach und nach reduziert, wodurch sich bereits Änderungen innerhalb der therapeutischen Beziehung und der Themenstellung ergeben. Der jeweilige Therapieplan weist immer den Weg durch die Therapie, manche Themen verlangen sogar danach, schon frühzeitig (etwa nach einem Drittel der Therapie) über Ablauf und Beendigung zu sprechen.

 

Es kann vorkommen, dass KlientInnen den Abschied verdrängen und dadurch stark belastet werden, insbesondere dann, wenn negative Vorerfahrungen mit Trennung oder Abschied vorhanden sind. In jedem Fall und unabhängig von einem geplanten oder spontanen Ende der Therapie gilt: Es sollte thematisiert werden, um die Möglichkeit zu erhalten, Ängste artikulieren zu können. Therapeutinnen und Therapeuten tun dies normalerweise. Wenn Klientinnen und Klienten sich einseitig zu einem Therapieende entschließen, sollten sie es dennoch zum Thema machen, denn erst dann kann die Belastung und manchmal sogar Panik, die ein bevorstehender Abschied auslösen kann, gemindert werden.

 

Abrupte, ungeplante und einseitige Beziehungsabbrüche können ansonsten nicht nur traumatisch sein, sondern die jeweilige Problematik verstärken oder/und Klientinnen und Klienten in der Bearbeitung zurückwerfen. Ein geplanter Abschluss kann zwar genauso zu einem kurzfristigen (Wieder-)Auftreten der Anfangssymptomatik führen, aber er ermöglicht es, den Prozess in die Therapie einzubringen, sich zu verabschieden, um Erreichtes integrieren zu können und gegebenenfalls Enttäuschung, Trauer, Wut, Sorge und Vorwürfe zu thematisieren.

 

Da eine Psychotherapeutin oder ein Psychotherapeut nach meist längerer Therapie zu einer Bezugsperson geworden und eine emotional oftmals bedeutsame Beziehung entstanden ist, sind Unterbrechungen und das Ende der Psychotherapie verständlicherweise immer kritische Phasen und gehören Trennungsprozessen an. Es fällt eine zentrale Person weg, die zuhört und vielleicht bloß durch die fixen Termine zu einem Halt geworden ist, jedenfalls zu jemandem, die oder der da ist, wenn es einem schlecht geht. Nun kann ein Leerraum entstehen, der manche mehr, manche weniger belastet.

 

Sollte die Belastung, die durch ein Therapieende entsteht, tatsächlich zu einer Verminderung der Lebensqualität führen, kann die Therapie höchstwahrscheinlich verlängert werden. In jedem Fall bemüht sich Ihre Therapeutin oder Ihr Therapeut um eine stimmige Lösung – dies kann sie oder er aber nur dann, wenn Sie Ihre Gefühle und Gedanken mit ihr oder ihm teilen.

 

 

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Michaela Legl-Bruckdorf, B.A., MSc

Psychotherapeutin 

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