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Generalisierte Angststörung & Transgenerationale Traumatisierungen

Im März habe ich anlässlich der aktuellen Situation über Ängste und Sorgen geschrieben, die nicht grundsätzlich behandlungsbedürftig sind. Bleiben Gefühle von Angst und Sorgen über einen längeren Zeitraum bestehen, können allerdings Krankheitsbilder dahinterstecken.

Generalisierte Angststörung

Betroffene einer Generalisierten Angststörung (GAS) leiden unter einem ständigen Gefühl von Besorgtheit und Anspannung hinsichtlich und während alltäglicher Ereignisse und Probleme. Es ist ihnen nicht möglich, ihre Angst konkret zu bestimmen. „Vielmehr sind es viele verschiedene Bedrohungen, die (vermeintlich) überall lauern. So leben die Betroffenen in einer endlosen Spirale aus Sorgen und Ängsten“ (Dobmeier, 2020, online). Allerdings suchen sich Betroffene zumeist erst bei körperlichen Beschwerden und Folgeproblemen (z. B. Schlafstörungen) Unterstützung (vgl. ebda). 

Je länger die Symptome anhalten, desto intensiver werden die Ängste und umso schwieriger und komplexer wird es, die Ursache(n) festzustellen. Während Depressionen eher auf vergangene Ereignisse gerichtet sind, bereitet Betroffenen einer GAS die Zukunft Sorgen. Eine GAS wird nach der ICD-Klassifikation dann diagnostiziert, wenn 

 

… Betroffene mindestens sechs Monate lang Anspannung, Besorgnis und Befürchtungen in Bezug auf alltägliche Ereignisse spüren. 

… zusätzlich mindestens vier der nachfolgenden Symptome zutreffen, davon mindestens eines der Symptome eins bis vier:

 

1. Palpitationen, Herzklopfen oder erhöhte Herzfrequenz

2. Schweißausbrüche

3. Fein- oder grobschlägiger Tremor (Zittern)

4. Mundtrockenheit

5. Atembeschwerden

6. Beklemmungsgefühl

7. Thoraxschmerzen und -missempfindungen

8. Nausea (Übelkeit) oder Missempfindungen im Bauchraum (z. B. Kribbeln im Magen) (Dobmeier, 2020, online) 

 

Transgenerationale Traumatisierungen

Ängste oder Sorgen können auch durch Transgenerationale Traumatisierungen (auch als Transgenerationale Transmission, Transgenerationalität oder Transgenerationale Weitergabe bezeichnet) ausgelöst werden. Traumaerfahrungen sind von einer Generation auf die nächste übertragbar, neuesten Erkenntnissen zufolge spielt hierbei auch die Epigenetik eine Rolle – „die gestörte Stressregulationsfähigkeit kann bei Personen, die an einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) erkrankt sind, über das Erbgut vererbt werden“ (Stracke, 2021). 

Transgenerationale Traumatisierungen meinen „das unbewusste, versehentliche, direkte und indirekte Weitergeben ungelöster Traumata an die Folgegenerationen“ (Stracke, 2021). Weitergegebene Traumata zeigen sich im „Verhalten, Glaubenssystem und Erleben der Traumatisierten […], welche bei der Erziehung ihrer Kinder und Bindungsbildung Einfluss nehmen können“ (ebda). Übernommen werden derartige Traumafolgen zumeist bereits in der frühen Kindheit, da hier Muster unhinterfragt sozialisiert und manifestiert werden. Derart geprägt, kann das gesamte Leben, Erleben und Verhalten negativ beeinflusst werden. (Vgl. ebda) 

Prof. Dr. med. Romuald Brunner, Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie am Universitätsklinikum Heidelberg, bezeichnet übertragene Traumaerfahrungen als „cycle of abuse“ und zeigte im Jahr 2012 im Rahmen eines Forschungsprojekts auf, dass „Mütter, die in ihrer Kindheit Opfer von Missbrauch oder Vernachlässigung durch enge Bezugspersonen wurden, […] ein Leben lang unter den Folgen [leiden]. Häufig misshandeln oder vernachlässigen sie selbst ihre Kinder. In vielen Fällen ist ihre Fürsorgefähigkeit grundlegend beeinträchtigt, es gelingt den betroffenen Müttern nicht, die Gefühle ihrer Kinder einzuordnen und angemessen zu reagieren.“ (Bühring, 2012, online)

 

Transgenerationale Traumatisierungen sind kein seltenes Phänomen, bleiben bei Diagnosen und Therapien allerdings oftmals unbedacht. Wenn wir uns jedoch vor Augen führen, dass auf unserem Kontinent beinahe jede Familie durch den Zweiten Weltkrieg Tod, Verfolgung, Flucht oder Vertreibung erfahren hat, wird offensichtlich, wie zentral übertragene Traumatisierungen heute sein können. Hinzu kommen nicht durch Kriege ausgelöste Traumaerfahrungen wie Missbrauch oder Vernachlässigung, die an die nächsten Generationen weitergegeben werden können (vgl. Traumatherapie online).

 

Bemerken Sie bei sich Sorgen oder Ängste, die Sie sich nicht erklären können, gilt die Empfehlung, sich professionelle Unterstützung zu suchen und zu klären, worin mögliche Ursachen bestehen können. Es ist nicht immer zielführend, nur das eigene (Er-)Leben zu betrachten, weshalb es wichtig ist, Therapierende zu finden, die über Erfahrung im Bereich der Traumatherapie verfügen.


Literatur und Quellen:

Julia Dobmeier (2020): Generalisierte Angststörung, online verfügbar: https://www.netdoktor.de/krankheiten/generalisierte-angststoerung [080422].

Nora Stracke (2021): Transgenerationale Traumatisierung. Einfluss der elterlichen Fürsorge auf die Entwicklung eines sicheren Bindungsstils. GRIN Verlag.

Traumatherapie online: https://traumatherapie.at/angebote/transgenerationale-traumatisierung/

Petra Bühring (2012): Transgenerationale Traumatisierung: Den Teufelskreis durchbrechen, online verfügbar: https://www.aerzteblatt.de/archiv/128386/Transgenerationale-Traumatisierung-Den-Teufelskreis-durchbrechen [080422].

 

Bilder:

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Michaela Legl-Bruckdorf, B.A., MSc

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