Mit diesem Beitrag schließe ich meine dreiteilige Themenreihe „Wo ist mein Platz in der Welt?“. Aktuell beginnt für viele Kinder in Österreich ein neuer Lebensabschnitt. Der Wechsel vom Kindergarten an die Volksschule oder von der Volksschule an eine weiterführende Schule ist fraglos ein komplexer Veränderungs- und Anpassungsprozess. Und obwohl Veränderungen ein Teil des Lebens sind, ist es nur natürlich, dass wir auf eine Veränderung eher mit Sorge oder sogar ängstlich reagieren. Unbekannte Situationen zu meiden, liegt in der menschlichen Natur.
Ich möchte beginnen, indem ich meinen Kollegen Christoph Haberl (online) zitiere, der sich Gedanken zum Schulbeginn gemacht hat und sich an Eltern und Beziehungsberechtigte wendet: „Nehmen Sie Ihrem Kind nur die Barrieren ab, nicht aber Schwierigkeiten und Mühen! Seien Sie aufmerksam, was Ihr Kind wahrnimmt und fühlt, seien Sie aber dabei nicht ängstlich. Seien Sie optimistisch, freudig und stolz.“ Hier klingt an, was ich bereits im Juli und August besprochen habe: Eltern und Erziehungsberechtigte selbst sollten nicht nur mit gutem Beispiel vorangehen, sondern insbesondere Ruhe, Gelassenheit und Freude ausstrahlen und vermitteln können.
Das Selbstbewusstsein des Kindes stärken
Um Kindern das wichtige und richtige Selbstvertrauen zu geben, ist es wichtig, dass die Erwachsenen in ihrer Umgebung mit sich selbst im Reinen sind. Nur so können diese die Stabilität vermitteln, die bei einem Umbruch im Außen, wie es der Schulbeginn oder ein Wechsel an eine andere/neue Schule sind, erforderlich ist. Da Kinder nicht über die jahrelange Erfahrung Erwachsener verfügen, liegt es an uns, ihnen Zuversicht und Halt zu geben.
Informationen und Tipps, wie Sie sich selbst und Ihr Kind mental und emotional stärken können, finden Sie in meinen Beiträgen zur Themenreihe „Resilienz: Das ‚Immunsystem‘ der (Kinder-)Seele stärken“: Beitrag 1: Sechs Resilienzfaktoren / Beitrag 2: Hilfreiche und stärkende Verhaltensweisen bei sich selbst erkennen und Beitrag 3: Eltern und Bezugspersonen als Leitfiguren und sicherer Hafen.
Loslassen lernen für Selbstvertrauen und Zugehörigkeit
Der Wechsel vom Kindergarten an die Volksschule oder von der Volksschule an eine weiterführende Schule bringt nicht nur für die betroffenen Kinder einen neuen Lebensabschnitt, sondern bedeutet für Eltern und Erziehungsberechtigte ein (erneutes) Mehr an Loslassen- und Abgebenkönnen. Hier braucht es Vertrauen: in das Kind, in den Weg, den es einschlägt, in die neue Schule, in das Leben selbst, dass es nämlich dem Kind nichts aufbürden, sondern es in allen Punkten bereichern wird. Das kann schwierig sein und eine Herausforderung für alle darstellen.
Gestärkt werden muss somit nicht nur das Kind, sondern das Konstrukt Familie, damit das Kind selbstbewusst und gestärkt neue soziale Verbindungen eingehen kann. Für Kinder beginnt ein neuer Lebensabschnitt, in dem sie sich zunächst wieder klein fühlen werden: Waren sie im Kindergarten oder in der Volksschule bereits die „Großen“, zählen sie plötzlich wieder zu den „Kleinen“. Das kann demotivieren und Angst machen. Freundschaften werden vielleicht nicht sofort geschlossen, sondern es kann dauern, bis überhaupt engere Bekanntschaften entstehen. Geben Sie dem Kind diese Zeit, um sich an den neuen Schulalltag zu gewöhnen: Jedenfalls bis zu den Herbstferien, häufig bis zu den Weihnachtsferien, und manchmal dauert es sogar bis Ostern, bis ihr Kind „angekommen“ ist.
Praktische Tipps vor dem Wechsel und für die erste Zeit
• Bereiten Sie Ihr Kind bestmöglich vor, indem Sie es an die neue Umgebung gewöhnen: Üben Sie den Schulweg, betrachten Sie das Schulgebäude eingehend von allen Seiten (insbesondere die Eingänge und Wege, die Ihr Kind nehmen wird: viele Schulen bieten auf ihren Webseiten virtuelle Rundgänge durch das Gebäude an), gehen Sie die nähere Umgebung der Schule ab, um für Orientierung zu sorgen.
• Das Selbstbewusstsein des Kindes zu stärken, anstatt ein Kind unter Druck zu setzen, kann auf viele Arten passieren. Manchen Kindern hilft es, Gelerntes zu wiederholen, den (neuen) Schulweg öfter zu üben, andere Kinder zu treffen, mit denen sie in derselben Klasse oder Schule sein werden u. Ä.
• Fokussieren Sie in Gesprächen auf die Stärken und Leistungen, die das Kind erbracht hat, besprechen Sie, welche Hürden es bisher gemeistert hat und lassen Sie auch Herausforderungen, die kommen können, nicht aus. Aber: Bevor Sie von negativen Erfahrungen aus Ihrer eigenen Schulzeit erzählen, geben Sie lieber Ihrem Kind die Möglichkeit, Ängste oder Sorgen zu artikulieren. Stellen Sie (positive) Fragen: Worauf freust du dich, welches neue Fach interessiert dich am meisten? Denn es ist möglich und wahrscheinlich, dass sich Ihr Kind ganz andere Gedanken macht als Sie.
• Gemeinsam den neuen Alltag organisieren: Planen Sie nicht allein den Tag für Ihr Kind, strukturieren Sie seine Hausaufgaben, seine Lernzeit und seine Freizeit nicht selbst, sondern beziehen Sie es ein und weisen Sie darauf hin, dass Zeit für Pausen bleiben muss.
• Setzen Sie (Ihre eigenen) Erwartungen nicht zu hoch und geben Sie dem Kind Zeit: Wenn Ihr Kind nicht sofort (weiterhin) gute Noten schreibt oder sich mit den Hausaufgaben schwertut: Schrauben Sie Ihre Erwartungshaltung hinunter und reflektieren Sie die Zukunft, die Sie sich für das Kind wünschen.
• Geben Sie Ihrem Kind trotz der neuen Umgebung Freiräume und genügend Zeit, die (neue) Selbstständigkeit zu leben. Der Neubeginn bietet Chancen. Bevor Sie an alte Rituale anknüpfen (z. B. bei Hausaufgaben immer neben dem Kind sitzen und helfen), überlegen Sie, ob das in der Vergangenheit für beide Seiten zufriedenstellend war. Optimal ist es, das Kind die (neuen) Aufgaben so selbstständig wie möglich erledigen zu lassen. Das gilt selbstverständlich nur dann, wenn das Kind stets weiß, dass es sich bei Schwierigkeiten jederzeit an Sie wenden kann. Begleiten Sie Ihr Kind auch maximal nur an den ersten Tagen auf dem neuen Schulweg. Ihr Kind wird es Ihnen danken, wenn Sie ihm zeigen, dass Sie ihm vertrauen.
• Kommunikation aufrechthalten: Hören Sie zu, wenn Ihr Kind von sich aus erzählt. Bauen Sie die Schulthematik in alltägliche Gespräche ein, aber machen Sie diese nicht zum Zentrum des Alltags, bohren Sie nicht zu sehr nach. Zeigen Sie grundsätzliches Interesse, dann wird das Kind von sich aus (nach und nach) erzählen.
Ich wünsche Ihrem Kind einen guten Start an der neuen Schule!
Bilder:
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